Aktuelle Bücher: „Digital human – Der Mensch im Mittelpunkt der Digitalisierung“

Alle reden über die Digitalisierung – aber wie gehen Unternehmen diese in der Praxis an? Bettina Volkens und Kai Anderson liefern mit ihrem Buch tiefe Einblicke in die aktuellen Digitalisierungsprozesse deutscher Konzerne – und wie menschenfreundlich sie ablaufen können. Dabei kommen zahlreiche hochrangige Gastautoren aus den Unternehmen selbst zu Wort, vom Stahlhändler Klöckner über die Otto Group und SAP bis hin zum Reisekonzern TUI.
„Digital“ und „human“ schienen bisher zwei Begriffe zu sein, die einfach nicht zusammengehen. Ein neues Buch mit dem Titel „Digital human“ versucht nun, wieder etwas Menschlichkeit in die zuweilen sehr technische Digitalisierungsdebatte zu bringen. Den Auftakt des 250 Seiten starken Sachbuchs von Lufthansa-Arbeitsdirektorin Bettina Volkens und Berater Kai Anderson macht der Digitalisierungs-Promi Christoph Keese, der unlängst aus der Springer-Geschäftsführung zur Konzerntochter Axel Springer hy GmbH gewechselt ist. Mit hy will das Medienunternehmen anderen Firmen bei der digitalen Transformation helfen.
Digitalisierung braucht ein Versprechen
Keese, bekannt durch seine Bücher „Silicon Valley“ und „Silicon Germany“, betont im Vorwort, dass für viele Menschen ein „Zeitalter der Verunsicherung“ angebrochen sei. Vorbei die Zeiten, wo Digitalisierung sich auf die kleinen Alltagshelfer vom Smartphone bis zur Google-Suche beschränkte: „Die meisten Menschen werden in ihrer Eigenschaft als Produzenten eingeholt von den Folgen des wirtschaftlichen Umsturzes, den sie als Konsumenten selbst mit ausgelöst haben.“
Christoph Keese plädiert dafür, den Menschen in den Mittelpunkt der Digitalisierung zu stellen und ihn zu motivieren, anstatt neue Feindbilder aufzubauen. Dass Taxifahrer gegen Uber mit Demos ins Feld zogen, sei auch eine Reaktion auf eine Debatte gewesen, die den Vertretern der alten Wirtschaft gesagt hat, dass ihre Jobs ohnehin verschwinden würden. „Jedes Unternehmen, das sich digital transformieren möchte, muss eine Antwort auf folgende Frage finden: Wie kann die Digitalisierung dazu beitragen, die Anerkennung meiner Mitarbeiter zu steigern, ihre Sicherheit zu erhöhen und ein Gefühl der Geborgenheit zu vermitteln, wo überall vom Gegenteil die Rede ist?“ Das Faszinierende an der Digitalisierung wäre schließlich der Überschwang an Möglichkeiten, der in ihr steckt: „Digitalisierung revolutioniert die Welt gerade deshalb, weil sie das Unmögliche möglich macht.“
Keese ist überzeugt, dass die digitale Revolution keine reine Rationalisierungsmaßnahme sein muss, sondern auch das Wohlbefinden der Menschen steigern könne: „Deutschland kann ein Vorbild der digitalen Transformation werden, wenn wir der Welt als Erste zeigen, wie die digitale Revolution ihre Kinder hütet und ernährt, anstatt sie einfach nur zu fressen.“
Digitalisierung beginnt im Kopf
Tatsächlich liefert das Buch einige Positivbeispiele einer humanen Entwicklung, geführt von Unternehmern, die den Menschen bei aller technischen Begeisterung nicht aus dem Blick verloren haben. Ein Beispiel stammt aus der Stahlindustrie, die bisher noch nicht oft Gegenstand der Digital-Diskussion war. Gisbert Rühl, Vorstandsvorsitzender von Klöckner & Co., erzählt darin von dem traditionsreichen Stahlhandelsunternehmen aus Duisburg. Mit kloeckner.i hat der mehr als 110 Jahre alte Konzern ein Digital Lab gegründet, um einen umfassenden Digitalisierungsprozess voranzubringen. Klöckner plant gewissermaßen, das Amazon des Metallhandels zu werden, also eine auch für Konkurrenten offene Plattform im Netz zu schaffen. Klöckner würde damit den digitalen Standard setzen und ein weltweiter Vorreiter der Branche werden. Entwickelt wird diese Plattform am Berliner Standort. Dieser neue Unternehmensteil sei aber nicht nur ein Technology Lab, „sondern im Wesentlichen der Ursprung einer ganz neuen Kultur“, betont Rühl. „Darin spielen unsere Mitarbeiter die Hauptrolle – als Pioniere, Erfinder und Wegbereiter.“
Bei aller Begeisterung für die neue Entwicklung, die schon Ende 2017 die Branche verändern soll, denkt Rühl auch an die Mitarbeiter, die keine Programmierer oder App-Designer sind: „Wir sind uns des Spannungsfelds zwischen bestehenden Arbeitsplätzen und Digitalisierung bewusst und versuchen daher, jeden Mitarbeiter auf unterschiedlichen Ebenen abzuholen. Dabei achten wir aufeinander und zeigen uns gegenseitig den Weg, wenn Unsicherheit besteht.“
So lässt Klöckner die Transformation an allen Standorten von Digitalisierungs-Experten begleiten und hat sogar eine interne Akademie eingeführt, auf der Mitarbeiter beispielsweise Programmieren lernen können. Damit ist sichergestellt, dass Mitarbeiter sich jederzeit einbringen und nach und nach ihre digitalen Skills verbessern können. „Unsere Digitalisierung wird längst nicht mehr von oben angetrieben, sondern durch die breite Masse der Belegschaft“, resümiert der Konzernchef.
Großes Potenzial, das Leben vieler Menschen zu verbessern
„Digital human“ versammelt einige weitere Unternehmensbeispiele, jeweils verfasst von hochrangigen Mitarbeitern auf Vorstands- oder Geschäftsführungsebene. Stefan Ries, Personal-Vorstand der Software-Schmiede SAP, beispielsweise zeichnet in seinem Beitrag ein eher positives Bild von der zukünftigen Arbeitswelt, die großes Potenzial habe, das Leben vieler Menschen zu verbessern, schließlich würden auch neue Berufsbilder entstehen. „Hier ist von zentraler Bedeutung, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter auf die Digitalisierung vorbereiten“, erklärt Ries und verweist darauf, dass SAP im Jahr 2017 190 Millionen Euro in die Aus- und Weiterbildung der eigenen Belegschaft investiert habe.
Neben Stahl und IT sind weitere wichtige Branchen über Gastbeiträge vertreten. Zu den Autoren zählen beispielsweise Thomas Ebeling, Vorstandsvorsitzender ProSiebenSat.1, Thomas Birtel, der den Baukonzern STRABAG leitet, Susanne Pauser von der Württembergischen Versicherung, Rainer Hillebrand aus dem Vorstand der Otto Group und Christian P. Illek, Personalvorstand Deutsche Telekom. Darüber hinaus kommen Wissenschaftler zu Wort wie Markus Gabriel, Philosophie-Professor an der Universität Bonn, der Wirtschaftsinformatiker Key Pousttchi von der Universität Potsdam oder Clemens Fuest vom ifo Institut.
Wie wir das digitale Zeitalter prägen – und nicht umgekehrt
Die Herausgeber Bettina Volkens und Kai Anderson erklären, dass sie mit ihrem Buch weder Digitalisierungs- noch Gesellschaftskritik betreiben möchten. Vielmehr gehe es darum, die richtigen Fragen zu stellen und den Menschen in den Mittelpunkt der atemberaubend schnellen digitalen Entwicklung zu stellen. Ihr Blick in die Zukunft gibt jedenfalls Hoffnung: „Wenn wir es richtig anstellen, können wir mit der Digitalisierung unsere Produktivität weiter steigern und noch mehr Wohlstand für alle generieren. Mit weniger Regulatorik und mehr Bildung haben wir die Chance auf gesellschaftliche Entwicklungssprünge, die wir epochal nennen dürfen. Wir haben mit der Befreiung von Routinetätigkeiten zudem die Chance auf eine Renaissance des Sozialen. Mehr Zeit für echte menschliche Interaktion – nichts, was Maschinen je ersetzen können.“
Das Buch:
„Digital human – Der Mensch im Mittelpunkt der Digitalisierung“, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2018, 39,95 Euro
Die Herausgeber:
Bettina Volkens ist promovierte Juristin, und Arbeitsdirektorin der Deutschen Lufthansa AG. Als Vorstandsmitglied ist sie verantwortlich für das Ressort Personal und Recht. Kai Anderson gehört zu den gefragtesten Veränderungsexperten Deutschlands und ist Gründer und Vorstand der Promerit AG.
Autor: Redaktion Zukunft. Kunde.
Bild: AdobeStock