Noch ist Deutschland nicht verloren
Aktuelle Bücher vorgestellt: „Deutschland digital“ von Marc Beise und Ulrich Schäfer

Die erste Runde im digitalen Wettstreit hat Deutschland verloren! Das ist kein Grund, zu resignieren, wenn man sich auf die Stärken besinnt, die die deutsche Wirtschaft groß gemacht haben: Präzision, Verlässlichkeit und Genauigkeit. Zu diesem Schluss kommt das Autorenduo Marc Beise und Ulrich Schäfer in seinem Buch „Deutschland digital“.
Das Silicon Valley im sonnigen Kalifornien gilt als das gelobte Land der Digitalisierung. Dort arbeiten kreative Menschen täglich an disruptiven Geschäftsmodellen, die den Alltag der Menschen weltweit komplett verändern sollen. Sogar traditionelle Bastionen wie die Autoindustrie, der Maschinenbau oder die Versicherungs- und Pharmabranche sind vor den Angriffen US-amerikanischer Internetriesen und innovativer Start-ups nicht mehr sicher. Und was macht Deutschland? Es hinkt im digitalen Wettstreit hinterher. Hat Deutschland diesen Wettbewerb deswegen schon verloren? Nein, sagen die beiden Wirtschaftsjournalisten Marc Beise und Ulrich Schäfer. Denn Deutschland hat mit seinen Konzernen, den Hidden Champions im Mittelstand, dem Wissen an den Universitäten und dem Elan seiner wachsenden Start-up-Szene allerbeste Chancen, im digitalen Zeitalter zu bestehen. Dafür muss Deutschland weder das Silicon Valley nachbauen noch Internetriesen wie Amazon, Google, Facebook oder Apple mit deren eigenen Waffen schlagen.
Vertrauen – ein Geschäftsmodell für die Zukunft
Deutschland muss – so eine Kernthese des Autorenduos – seinen eigenen Weg gehen, indem es sich auf seine Stärken (Präzision, Perfektion, Verlässlichkeit und Genauigkeit) besinnt und seine Rolle im industriellen Internet findet. Die Chancen dafür seien nicht schlecht. Zum Beispiel bei der Vernetzung aller Dinge mit allem anderen. Denn das Internet der Dinge ist offen für alle, auch für die deutsche Industrie und auch die sogenannte „deutsche Angst“ könne ein Geschäftsmodell sein für das Internet der Zukunft. Warum? In der digitalen Welt geht es zukünftig vor allem um Vertrauen und dafür haben ausgerechnet die Deutschen mit ihrer Bedenkenträgerschaft und ihren Datenschutzgesetzen ein Händchen. Denn nur wem die Kunden zutrauen, dass er ihre Daten sicher dokumentiert und archiviert, dem gehört auf Dauer die Zukunft.
Zwölf Punkte für eine smarte Republik
Damit sich Deutschland in Richtung einer smarten und offenen Republik entwickeln kann, muss sich zügig etwas ändern. Aber was und vor allem wie? Dafür haben Beise und Schäfer einen Zwölf-Punkte-Plan entwickelt.
- Bewährtes infrage stellen: Am Anfang der Veränderungen steht ein Mentalitätswandel. Wir müssen bereit sein, das Bewährte infrage zu stellen: die Art, wie wir arbeiten, Unternehmen führen, Gesetze und Regeln gestalten.
- Bildung fördern: Die Schule sollte unsere Kinder auf die digitale Welt vorbereiten. Programmieren gehört genauso zum Stundenplan wie Lesen, Rechnen, Deutsch oder Englisch.
- Denken wie ein Unternehmer: In der digitalen Welt muss jeder Mitarbeiter wie ein Unternehmer denken und wie ein Unternehmer agieren können.
- New und Old Economy verschmelzen: Deutschlands Chancen in der digitalen Welt wachsen, wenn etablierte Unternehmen mit Start-ups eng zusammenarbeiten und beide voneinander profitieren.
- Kleine deutsche Silicon Valleys gründen: Deutschland braucht viele Orte, die als Zentren der Digitalisierung taugen – vor allem dort, wo Universitäten und Fachhochschulen zu Hause sind.
- Das Giga-Netz aufbauen: Deutschland braucht schnell ein funktionierendes superschnelles Netz – und zwar überall!
- Analoge Gesetze updaten: Viele deutsche Paragrafen stammen noch aus der analogen Zeit. Sie benötigen aber jetzt ein digitales Update!
- Eine Digital-Regierung: Deutschland braucht keinen Digital-Minister, sondern eine Digital-Regierung, in der jeder Ressortchef sich als Digital-Minister für seinen Bereich versteht.
- Gründer brauchen privates Geld: Statt staatlicher Subventionen wäre ein Börsensegment für junge Firmen, sozusagen ein Neuer Markt 4.0 mit einer Exit-Möglichkeit für Investoren, zielführender.
- Schützt die Daten: Wenn immer mehr Daten vernetzt werden, dann müssen kluge moderne Regeln gefunden werden, um die Datensicherheit zu gewährleisten. Dafür benötigt man AGBs, die einfach und übersichtlich sind und mit Symbolen arbeiten, sodass sie jeder schnell erfassen kann.
- Gründer zu Vorbildern machen: Deutschland hat viele positive Storys – von Gründern, die Erstaunliches bewegt haben, von Start-ups, die schnell wachsen. Diese müssen einfach besser in der Öffentlichkeit kommuniziert werden.
- Think Positive! Wer jammert, verpasst die digitale Zukunft. Mehr Optimismus und mehr Selbstbewusstsein täten Deutschland gut. Wenn das Land auf seine Stärken schaut und sie ausbaut, wird der digitale Wandel gelingen. Und der Gewinner der zweiten Runde im digitalen Wettstreit könnte Deutschland heißen.
Das Buch:
Marc Beise und Ulrich Schäfer, Deutschland digital. Unsere Antwort auf das Silicon Valley, Campus Verlag, Frankfurt 2016, 19,95 Euro
Die Autoren:
Marc Beise und Ulrich Schäfer leiten gemeinsam die Wirtschaftsredaktion der Süddeutschen Zeitung. Beide beschäftigen sich seit Jahren mit der Digitalisierung.
Autor: Redaktion Zukunft. Kunde.
Bildquelle: iStockphoto/PashaIgnatov