Smarte Mittelstadt Lemgo

Köln, Düsseldorf, Dortmund, Essen, Bochum – Nordrhein-Westfalen hat jede Menge Großstädte und Metropolen zu bieten. Doch die Hälfte der Landesbevölkerung lebt in Mittelstädten mit Einwohnerzahlen zwischen 20.000 und 100.000 Bürgerinnen und Bürgern. Mehr als 180 dieser Mittelstädte gibt es in NRW. Dass auch kleinere Kommunen durchaus große Pläne für die Digitalisierung und die Erleichterung des täglichen Lebens durch das Internet der Dinge haben, zeigt seit Mai 2018 das Projekt „LemGO DIGITAL“.
„Smart City“ heißt das Stichwort, unter dem weltweit vor allem Großstädte die Möglichkeiten und Chancen der Vernetzung für das urbane Leben erforschen und weiterentwickeln. Die Alte Hansestadt Lemgo in Ostwestfalen-Lippe gehört mit ihren etwa 40.000 Einwohnern eher nicht zu dieser Gruppe. Und bietet genau darum die ideale Größe, um zur IoT-Referenzplattform für Mittelstädte zu werden. Das ist zumindest der Plan des Fraunhofer IOSB-INA (Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, Institutsteil Industrielle Automation), das es sich im Rahmen der Initiative „LemGO DIGITAL“ gemeinsam mit weiteren Partnern aus Politik, Wissenschaft und Handel zum Ziel gesetzt hat, Lemgo in ein offenes Mitmach-Labor für das Internet der Dinge zu verwandeln.
Bürger als Alltagsexperten
„LemGO DIGITAL macht das Internet der Dinge für die Bürgerinnen und Bürger praktisch erfahrbar und zeigt, wie die Digitalisierung Alltagsprobleme lösen kann“, sagt NRW-Wirtschafts- und Digitalminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart über die Initiative. Dabei geht esvor allem darum, in den Handlungsfeldern Mobilität, Umwelt, Handel und Energie innovative Lösungen für die alltäglichen Probleme in der Stadt zu finden. In Lemgo sind die Rahmenbedingungen und die vor Ort vorhandene Fraunhofer-Kompetenz dafür ideal. Doch das Besondere des Projekts ist die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger. Denn im Rahmen des IoT-Reallabors sind sie nicht nur reine Testpersonen, sondern sollen als wahre Experten für das tägliche Leben aktiv in die Ideenfindung einbezogen werden. Zu diesem Zweck wurde in bester City-Lage direkt am historischen Marktplatz ein offenes Projektbüro eingerichtet, in dem sich die Lemgoer über die digitale Zukunft ihrer Stadt informieren und sie direkt mitgestalten können.
Digitale Infrastruktur
Aufgrund der überschaubaren Größe und der kurzen Entscheidungswege ist Lemgo das perfekte Spielfeld für die Erprobung innovativer Digitalstrategien auf Stadt-Ebene. Ein weiteres Plus ist die Forschungsinfrastruktur vor Ort: Mit dem Fraunhofer IOSB-INA unterhält die Fraunhofer-Gesellschaft dort einen Standort, der seit zehn Jahren auf den Gebieten der Informations- und Kommunikationstechnik im industriellen Umfeld und der intelligenten Automation forscht. Die Ergebnisse dieser Forschung, die bisher eher auf die Industrie 4.0 fokussiert war, sollen nun im Rahmen von LemGO DIGITAL auf Lösungen für Alltagsprobleme ausgeweitet werden.
Und die sind in Mittelstädten sehr vielfältig. So hat etwa Lemgo mit seinem historischen Stadtkern und den engen Straßenzügen im Bereich Verkehr ganz besondere Herausforderungen zu meistern. Auch der Einzelhandel steht aufgrund der zunehmenden Konkurrenz durch Online-Shops und Einkaufszentren in der Peripherie zunehmend unter Druck. Die Bereiche Umwelt und Energie bieten ebenfalls viele Möglichkeiten, mit Hilfe digitaler Technologien fundierte Analysen durchzuführen und auf Basis der Ergebnisse gezielte Verbesserungen umzusetzen.
Auf all diesen Einsatzfeldern profitiert Lemgo von der geballten Fraunhofer-Kompetenz. Ganz konkret bedeutet dies, dass mit einer großen Anzahl unterschiedlicher Sensoren eine technische Infrastruktur geschaffen werden soll. Eine leistungsfähige Vernetzung und Datenverarbeitung sowie Apps als Schnittstelle zum Nutzer sind dann der nächste Schritt im Rahmen des IoT-Reallabors. Die ersten Impulsprojekte in den Bereichen Mobilität, Handel und Umwelt laufen bereits, ein professionelles Projektmanagement koordiniert die Bemühungen. Künftig – so der Plan – wird diese Infrastruktur von Unternehmen, IoT-Startups, Kommunen und Forschungseinrichtungen genutzt werden, um zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern neue Produkte und datenbasierte Dienste zu entwickeln und zu erproben.
Startschuss in Lemgo
„Lemgo steht modellhaft für die über 180 Mittelstädte in NRW“, erklärt Prof. Jürgen Jasperneite, Leiter des Fraunhofer IOSB-INA. „Wir würden uns sehr freuen, wenn wir mit LemGO DIGITAL zeigen können, dass jahrhundertelange Tradition in unseren Mittelstädten und Innovation kein Widerspruch sind.“ Doch bei dem Modellcharakter soll es nach den Vorstellungen der Initiatoren nicht bleiben. LemGO DIGITAL soll vielmehr einen Innovationsschub erzeugen, der auch andere Mittelstädte mitreißt.
Von Beginn an werden weitere interessierte Kommunen in eine Nutzergruppe eingeladen, um den Prozess aktiv mitzugestalten und die Ergebnisse für ihre eigenen spezifischen Bedürfnisse adaptieren zu können. Gemeinsame Vortragsveranstaltungen, Workshops und Diskussionen bieten Möglichkeiten zum regen Austausch über lebens- und praxisnahe digitale Lösungen. So wird das Test- und Mitmachlabor Lemgo idealerweise zum Ausgangspunkt für eine kleine digitale Revolution der Mittelstädte – nicht nur in NRW.
Autor: Redaktion Zukunft. Kunde.
Bild: © zhu difeng / AdobeStock