Besser, schneller, individueller agieren

Die digitale Revolution hat die Versicherungsbranche erreicht und stark unter Druck gesetzt: Der Kunde will heute mit wenigen Klicks in Echtzeit Versicherungsprodukte kaufen oder Hilfe im Schadensfall erhalten. Das ist eine enorme Herausforderung für klassische Versicherer. Sie investieren daher in die vielfältigen Möglichkeiten von Analytics. Und das aus gutem Grund.
Das Kundenverhalten hat sich in den vergangenen Jahren signifikant verändert. Kauferlebnisse, wie sie Amazon oder andere Marktplätze bieten, betrachtet der Kunde inzwischen als selbstverständlich und erwartet sie auch von anderen Branchen – das gilt auch für die Versicherungsbranche, in der die Karten durch FinTech-Anbieter und andere junge Marktteilnehmer neu gemischt wurden. Diese platzieren sich an immer mehr Stellen als Wettbewerber der etablierten Versicherer oder versuchen einen Teil der Wertschöpfungskette zu übernehmen. Trotz des Scheiterns einiger neuer Player ist die Kundenschnittstelle weiterhin zahlreichen Angriffen ausgesetzt. Die Folge: Je mehr klassische Versicherer an dieser Schnittstelle ihre Kunden verlieren, desto schwieriger wird es für sie, ihre Kunden zu steuern und zukünftiges Potential zu heben. Viele klassische Versicherer benötigen deswegen eine Antwort, wie sie auf diese Veränderungen reagieren sollen. Sie müssen beispielsweise die neuen Bedürfnisse ihrer Kunden erkennen und individuelle, bedarfsorientierte Produkte und Dienstleistungen situationsbedingt und crossmedial anbieten. Die Grundvoraussetzung dafür ist, dass sie geschickter, schneller und effizienter mit dem Thema Datenanalyse und der operativen Nutzung der Ergebnisse umgehen. Dies ist eine große Herausforderung, weil Versicherungen oftmals aus einem weniger dynamischen Umfeld kommen.
Das Zeitalter der Kundendaten
Dabei dreht sich im digitalen Zeitalter alles um Kundendaten. Das Gold des 21. Jahrhunderts wird von den Kunden meist sogar selbst generiert – über Dialoge mit dem Servicecenter, Internetseiten, Smartphones, Fitnessarmbänder, Fahrassistenzsysteme oder Sensoren in Haushaltsgeräten und Sprachassistenten. Diese Rohdaten, dazu gehören auch die historischen Daten (Kundenstammdaten oder Daten über bereits abgeschlossene Verträge), sind ein werthaltiges Asset für die Versicherer. Sie können daraus völlig neue Erkenntnisse gewinnen und ihre Kunden zielgerichteter ansprechen, neue Produkte entwickeln, individuelle Tarife anbieten, neue Kundengruppen erschließen oder auch neue Geschäftsfelder entdecken – und dabei viel Zeit sparen. Dafür müssen sie jedoch bereit sein, neues Wissen mithilfe von Digitalisierung und Analytics Lösungen aufzubauen und intensiv Daten von Kooperationspartnern einzubeziehen. Denn nur durch Analytics können die Massen an Daten überhaupt präzise untersucht und die Ergebnisse in Echtzeit zum Nutzen des Kunden eingesetzt werden. Eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass aufseiten der Versicherer Klarheit darüber besteht, welche Daten aus rechtlichen Gründen gespeichert und ressortübergreifend genutzt werden dürfen. Denn Analytics funktioniert vor allem dann, wenn es in der gesamten Aufbau- und Ablauforganisation verankert und somit Grundlage des digitalen Geschäftsmodells ist. Erst dann liefert das Verfahren Ergebnisse, die vielseitig einsetzbar sind und in allen Kernprozessen von Versicherungsunternehmen einen signifikanten Mehrwert generieren können. So ein Fazit der aktuellen Studie „Der Insurance Monitor“ von PricewaterhouseCoopers.
Nutzen von Analytics in der Kundenkommunikation
In der Vergangenheit nutzten Versicherer das Internet, um ihre Kunden zu informieren. Die Verbraucher verwendeten diese Information in der Regel für Onlinevergleiche von Versicherungsprodukten. Im Zeitalter der digitalen Transformation sind aber immer mehr Kunden dazu bereit, Selfservice-Angebote von Versicherern anzunehmen und Teile der Wertschöpfungskette selbst zu übernehmen. Mithilfe von Analytics kann beispielsweise ein Schadensfall effizienter, kostengünstiger und sicherer abgewickelt werden. Der Vorteil für den Kunden ist eine schnelle und unbürokratische Abwicklung. Der Vorteil für den Versicherer: Er kann den Personalaufwand für die Schadensaufnahme und Sachbearbeitung reduzieren und sich gleichzeitig vor möglichen Betrugsversuchen schützen, weil z.B. objektive Drittinformationen (Sensordaten, Wetterdaten, Bildinformationen) bei einer Schadensmeldung direkt miteinbezogen werden und dabei helfen, den Schadensumfang präzise einzuschätzen. Wie schnell und hilfreich analytische Methoden im Schadensfall sein können, zeigen zwei Beispiele:
- Bei einer Smart-Home-Lösung liefert die Heizungsanlage über Sensoren ihre Daten an den Versicherungskunden, den Versicherer und den Heizungsinstallateur. Auf Basis von historischen Daten, die auch mit Drittendaten (z.B. Wetterdaten) kombiniert werden können, kann mithilfe von Analytics nun die Wahrscheinlichkeit von Schadenseintritten bzw. Störungen antizipiert und eine Warnung ausgesprochen werden. Diese „Proactive Maintenance“ hilft, unnötige Schadenseintritte und daraus entstehende Kosten zu vermeiden.
- Bei einem Stau auf einer Autobahn fährt ein Fahrzeug auf ein anderes auf. Der Versicherungskunde meldet über eine App seiner Versicherung sofort den Schaden und hängt an die Meldung einige Schadensfotos. Umgehend erstellt eine intelligente Roboter-Software auf Basis analytischer Methoden ein Gutachten. Dafür ruft das intelligente System noch zusätzliche Informationen über die Sensordaten des Fahrzeugs ab und zieht Drittinformation zur Wetter- und Verkehrslage heran. Das System schlägt dem Kunden auch eine Werkstatt in der Nähe vor, die Rechnung wird direkt über das Onlineportal eingereicht. Das Schadensystem veranlasst die Rechnungsbegleichung.
Mehrwerte schaffen durch optimierte Aktionen
Diese zwei Szenarien machen deutlich, wie Versicherungen ihr Service-Niveau als Dienstleister durch intelligente Analyseverfahren optimieren können. Dafür müssen sie sich jedoch innovativer und agiler mit ihren Kunden verbinden – und zwar auf allen Kanälen: angefangen von den Dialogen über das Telefon über die unternehmenseigenen Onlineportale und CRM-Systeme bis zu den sozialen Medien, Apps und Drittsystemen. Analytics liefert dann auch neue Einsichten über aktuelle und zukünftige Produktaffinitäten der Kunden, weil mithilfe der analytischen Methoden Zeitpunkte oder Lebenssituationen in der Datenwelt der Kunden identifiziert werden können, in denen sie neue Produkte benötigen. Diese analytischen Erkenntnisse können wiederum dem Kundenmanagement als sogenannte Next Best Actions für alle relevanten Kanäle bereitgestellt werden – und das alles in Echtzeit, beispielsweise während eines Beratungsgesprächs am Telefon. Für Versicherer ist Analytics eine enorme strategische Chance, den Unternehmenserfolg zu erhöhen. Wenn Analytics im Kundenmanagement richtig eingesetzt wird, steigert es nicht nur die Umsatzrate pro Kunde, sondern reduziert z.B. auch die Gesprächsbearbeitungsdauer oder die Abwanderung von Kunden zur Konkurrenz, weil der Versicherer in der Lage ist, dem richtigen Kunden zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Produkte anzubieten.
Die sind mehr als genug Gründe dafür, warum Analytics künftig immer mehr zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor für die Versicherungsbranche wird.
Erschienen in: Versicherungswirtschaft heute
Autor: Dirk Schäfer, Managing Director Analytics, Arvato CRM Solutions
Bild: denisismagilov AdobeStock