Die Sentiment Analyse im Kundenservice: Menschliche Gefühle verstehen

Kein moderner Kundenservice kann ohne die Unterstützung technischer Systeme funktionieren. Eins davon ist die Sentiment Analyse, mit der die Emotionalität eines Posts oder der Stimmungsverlauf während eines Anrufers erkannt werden kann. Aber wie funktioniert das? Und wie können Unternehmen damit ihren Kundenservice optimieren?
Die Sentiment Analyse hatte ihren ersten größeren praktischen Anwendungsfall im Umfeld des Web 2.0: Hier wurden die Internetnutzer von reinen Konsumenten zu Contenterzeugern, die über Produkte und Leistungen von Unternehmen kommunizieren und diskutieren. Die ersten Analyse-Ansätze waren relativ simpel: Zunächst wurden Listen mit Wörtern definiert, die auf positive oder negative Aussagen hinwiesen – beispielsweise Adjektive. Anschließend wurden die Nutzerbeiträge mit diesen Listen abgeglichen und entsprechend kategorisiert. Natürlich ist die Einteilung in nur zwei Kategorien – positiv und negativ – stark vereinfacht. Im Lauf der Zeit wurde dieser regelbasierte Ansatz immer weiter verfeinert und ausgebaut.
Mittlerweile kommt auch bei der Sentiment Analyse künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz. Die Voraussetzung dafür, dass ein solches System auch tatsächlich intelligent funktioniert, ist wie immer bei KI-Anwendungen ein gutes Training auf Basis einer möglichst großen Datenmenge und mit Unterstützung eines Teams, welches das Training begleitet.
Das heißt aber nicht, dass der klassische regelbasierte Ansatz ausgedient hat. Beide Vorgehensweisen haben ihre Stärken und Experten sind sich einig: Die beste Lösung verbindet beide Ansätze. Beispielsweise kann es sein, dass die KI Beiträge gut vorsortieren kann, aber die letztliche Zuordnung zu einzelnen Kategorien besser regelbasiert erfolgt. Etwa, weil das deutlich einfacher zu realisieren ist als ein umfangreiches weiteres Training der KI. Und wenn eine neue Sentiment-Analyse-Lösung aufgesetzt wird, können einfache regelbasierte Ansätze die Datengrundlage für das Training der KI schaffen und einen Überblick über das liefern, was die Systeme überhaupt finden und erkennen sollen.
Vom Text Mining zur Videoanalyse
Der nächste Schritt der Sentiment Analyse ist die Bewertung von gesprochener Sprache, etwa in einem Servicecenter. Hier gibt es die gleichen inhaltlichen Marker wie in der Schriftsprache sowie verschiedene akustische Eigenschaften des Sprachsignals: die Lautstärke und Tonhöheverläufe oder der Grad an Überschneidungen, wenn man sich ins Wort fällt. Schon bald wird KI auch Gesichtsgesten erkennen können, ist Dr. Damian Borth, Direktor des Deep Learning Centers am Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz, überzeugt. Damit könnten auch Videochats einer Sentiment Analyse unterzogen werden. Geschlecht und Alter einer fotografierten Person können Systeme schon längst zuverlässig erkennen.
Der naheliegende Einsatzbereich von Sentiment Analyse ist nach wie vor das Social Web, in dem damit Beiträge nach inhaltlichen und sprachlichen Gesichtspunkten kategorisiert werden. Aber das Verfahren kann auch – unter Einhaltung aller Datenschutzbestimmungen – eingesetzt werden, um den Verlauf von Beratungsgesprächen zu analysieren und so die Qualität zu messen und zu verbessern. Außerdem liefert die Sentiment Analyse Indikatoren, die zur Optimierung der Mensch-Maschine-Kommunikation genutzt werden können. Etwa Warnhinweise, wenn die Technik in der Kommunikation an ihre Grenzen stößt und ein menschlicher Kundenberater übernehmen sollte. Denn auch wenn die Systeme immer leistungsfähiger und die Algorithmen immer ausgefeilter werden: Menschliche Empathie ist nach wie vor nicht zu ersetzen.
Autor: Redaktion Zukunft. Kunde.
Bild: NIKOLAS HOFFMANN – AdobeStock