Kommunikation mit KI: Meilenstein in der Menschheitsgeschichte

Wird Software so gut kommunizieren können wie ein Mensch? Mit dieser Frage und den Folgen für die Arbeitswelt beschäftigt sich in seinem Gastbeitrag einer der führenden Experten für Zukunftsmanagement: Dr. Pero Mićić.
Mittlerweile scheint es gewiss: Künstliche Intelligenz wird die Arbeitswelt revolutionieren. KI-Systeme übernehmen immer mehr Aufgaben, auch im Dienstleistungs- und Wissenssektor. Die Dimension dieser Entwicklung ist enorm. Während in diesem Jahr weltweit rund 7.000 Unternehmen KI-Technologien implementieren, sollen es laut ABIresearch in fünf Jahren schon 900.000 sein. Die Touchpoints zwischen Unternehmen und Kunden werden zu einem großen Teil KI-basiert sein.
Kommunikation wird besser und intensiver
Was da auf uns zukommt, lässt vielleicht Amazons digitale Assistentin „Alexa“ erahnen. Interessant sind weniger die Hardwarehülle und die Sprachsteuerung, also das Lautsprechersystem „Echo“, als vielmehr die Software und die dominante Schnittstellenfunktion, die sie einnehmen könnte – schließlich werden in Zukunft immer mehr Geräte „smart“ sein. Die Kommunikation zwischen uns und Alexa, Siri & Co. wird sich verbessern und intensivieren, denn die Systeme werden nicht nur kontinuierlich weiterentwickelt, sondern sie lernen zunehmend auch aus den Fragen, Eingaben und aus dem Verhalten ihrer Nutzer. Schon heute beherrscht Alexa über 15.000 so genannte Skills, also einzelne Fähigkeiten wie einen Fleckenentfernungsberater oder den Zähneputzassistent. Wie wir es bei der Zahl der Apps erlebt haben, wird diese Zahl exponentiell und damit für den Menschen fast unvorstellbar schnell wachsen.
In Datenverarbeitung und Mustererkennung kann es schon lange kein Mensch mehr mit KI-Systemen aufnehmen. Algorithmen kennen uns – umso besser, auf desto mehr Daten wir ihnen Zugriff gewähren. Sie können unsere Vorlieben durch einen umfassenden Datenabgleich mit den Präferenzen anderer mit immer wieder neuen, uns nützlichen Produkten und Dienstleistungen „matchen“. Wenn das Internet wirklich semantisch geworden sein wird, kann eine künstliche Intelligenz praktisch jede beliebige Frage aus dem Internet heraus beantworten.
Logisches und morphologisches Denken kann Software besser. IBMs KI-System „Watson“ hilft zum Beispiel dabei, Röntgenbilder zu interpretieren oder Diagnosen zu stellen. Watson kann auch Pro- und Contra-Argumente zu einer Entscheidung zusammenstellen, also debattieren und damit bei strategischen Entscheidungen oder gar Gerichtsurteilen beraten. Solche Systeme werden uns als virtuelle digitale Assistenten bereits in wenigen Jahren rund um die Uhr mit Rat und Tat durch unser Leben begleiten. Es kommt zu einem Preisverfall und zu Jobverlusten in bisher dem Menschen vorbehaltenen Arbeitsfeldern wie Coaching, Wissensvermittlung, Beratung, Verkauf und Service. Im Dialog mit KI-Systemen werden wird uns selbst coachen können, ohne uns für unsere Fragen und Eingeständnisse schämen zu müssen.
Bedrohung für den Faktor „Menschlichkeit“?
Immer wieder wird angesichts dieser Bedrohung der Faktor „Menschlichkeit“ in die Waagschale geworfen, also die Frage, ob eine Maschine, überhaupt so gut kommunizieren kann wie ein Mensch. Vielleicht wird schon bald eine Maschine unzweifelhaft den Turing-Test bestehen. Dabei kommunizieren Versuchspersonen mit einem Menschen und mit einem Computer. Anschließend müssen sie entscheiden, wer Mensch oder Maschine war. Halten mindestens 30 Prozent der Versuchspersonen die Maschine für einen Menschen, gilt der Turing-Test als bestanden. Wenn Maschinen uns derart hinters Licht führen können, wäre das ein Meilenstein in der Menschheitsgeschichte. Möglicherweise der gravierendste bisher. Ob Wissen, Intelligenz, Kreativität, Ausdrucks- und Interaktionsfähigkeit oder Empathie – Maschinen werden dem Menschen immer ähnlicher oder lassen ihn mit ihren Fähigkeiten sogar weit hinter sich zurück. Auch optisch kann der Mensch eines Tages vielleicht perfekt simuliert werden, als lebensechte Roboter oder zwei- oder dreidimensionale Avatare. Mimik, Gestik, Stimme und vielleicht gar Berührung werden zunehmend lebensechter nachgebildet. Wir werden mit intelligenten Systemen interagieren, die wir kaum oder nicht mehr von einem echten Menschen unterscheiden können.
Die Frage, ob Software so gut kommunizieren können wird wie ein Mensch, weist aber eigentlich in eine verkehrte Richtung. Sie wird es anders, aber besser tun, um uns dienlich zu sein. Sie wird es menschenähnlich tun, damit wir sie verstehen und keine Berührungsängste haben. Sie wird die Mensch-zu-Mensch-Kommunikation aber nicht ersetzen. Sie will nicht menschlich sein. Ihr Anliegen ist radikal service-orientiert. Sie schafft uns Freiräume für neue Aufgaben.
Dr. Pero Mićić gilt international als ein führender Experte für Zukunftsmanagement. Er ist Vorstand der FutureManagementGroup AG, deren Mission es ist, Top-Entscheidern in Wirtschaft, Politik und Verwaltung zu helfen, mehr von der Zukunft zu sehen als die Konkurrenz. Mehr dazu unter: www.FutureManagementGroup.com