Punkten durch die digitale Evolution

Deutsche Banken agieren derzeit unter schwierigen Marktbedingungen. Aber es gibt Möglichkeiten und Denkansätze, wie die Institute Kosten senken und sich neue Umsatzmöglichkeiten erschließen können. Wir stellen drei davon vor.
In der Gegenwart stehen Banken unter enormen Druck – und das gleich von mehreren Seiten. Da ist zum einen der große Margendruck. Nicht nur die Europäische Zentralbank hält an den historisch niedrigen Zinsen fest, auch in den USA, Japan, Großbritannien oder Russland ist Geld nach wie vor günstig zu haben. Davon sind insbesondere deutsche Banken betroffen, weil sie bisher rund drei Viertel ihrer Einnahmen mit Zinsüberschüssen erwirtschaftet haben. Zum Vergleich: Bei Schweizer Instituten beträgt dieser Anteil weniger als die Hälfte. Die deutschen Banken reagieren darauf, indem sie beispielsweise Filialen schließen oder neuerdings Gebühren für Services erheben, die bislang kostenlos waren. Gleichwohl stehen geringere Einnahmen weiterhin hohen Kosten gegenüber.
Zum anderen wächst die Konkurrenz durch neue Herausforderer. Fintech-Startups und große Technologiekonzerne übernehmen besonders simple Vorgänge wie Geldüberweisungen oder Kreditvermittlung und punkten dabei mit schneller Abwicklung und Benutzerfreundlichkeit. Wobei nicht vergessen werden sollte, dass im Hintergrund nach wie vor die klassischen Prozesse und Zahlungsströme ablaufen – denn ohne Girokonto oder Kreditkarte funktionieren PayPal, Apple Pay oder paydirekt nicht. Schließlich bringt die zunehmende Regulierung nicht nur neue Anforderungen mit sich –durch sie wird es für Banken auch immer schwieriger, einzigartige Produkte zu entwickeln und sich damit vom Wettbewerb abzusetzen.
Wege in die Zukunft
Welche Möglichkeiten haben Banken, um sich in diesem Spannungsfeld für die Zukunft aufzustellen? Aktuell zeichnen sich drei mögliche Wege ab, die sich durchaus miteinander kombinieren lassen.
1. Digitalisierung und Ausbau der Selfservice-Angebote
Um in den Filialen den Verwaltungsaufwand zu senken und Prozesse zu verschlanken, bieten sich digitale Leistungen an, die über verschiedene Kanäle genutzt werden können. Chatbots auf Basis künstlicher Intelligenz werden schon bald auch komplexere Kundenanfragen selbständig beantworten können, Videotelefonie macht die persönliche Beratung unabhängig von Ort und Zeit, zahlreiche Abläufe wie zum Beispiel der Kontowechsel können automatisiert werden.
Das verbessert nicht nur die Kostensituation der Institute. Es schafft auch Freiräume dafür, das persönliche Serviceangebot dort auszuweiten, wo die Kunden es nach wie vor wünschen – etwa bei komplexen und beratungsintensiven Finanzprodukten oder bei maßgeschneiderten Angeboten, die genau zu ihren Wünschen passen. Denn es wäre keine nachhaltige Lösung, die Kunden einfach nur in eine anonyme Selfservice-Landschaft zu schicken.
2. Evolution der Filialen
Viele Banken verändern bereits ihre Filialstruktur. Aber wenn sich nicht jedes Institut zu einer filiallosen Direktbank transformieren möchte, sind besonders für kleine Bankfilialen zwei Entwicklungen denkbar. Erstens: die digitalisierte Filiale. Hier steht dem Kunden eine separate Box mit Monitor und Scanner zur Verfügung. Nachdem dieser sich mit seiner EC-Karte, Fingerabdruck oder Smartphone-App als Kunde identifiziert hat, öffnet sich ein Videostream zum Kundenberater im Servicecenter und das Beratungsgespräch kann beginnen. Unterlagen, die besprochen werden sollen, kann der Kunde dem Berater über den Scanner digital zur Verfügung stellen. Zweitens: Mehrere Banken teilen sich eine Filiale, in der sie jeweils einen eigenen Bereich haben. Der Vorteil: Sie sind nach wie vor persönlich für ihre Kunden erreichbar und teilen sich die Fixkosten für die Immobilie ebenso wie die technische Infrastruktur.
Übrigens könnte die Regulierung auch dazu führen, dass ein gemeinsames, standardisiertes IT-Backend für alle Finanzinstitute in Deutschland entsteht. Warum auch nicht? Aktuell investieren Banken eine Menge Geld, um immer wieder neue regulatorische Anforderungen umzusetzen – und zwar auf Basis einer mittlerweile Jahrzehnte alten technischen Infrastruktur. Eine gemeinsame Plattform würde die Institute davon entlasten und sie könnten sich wieder mehr auf ihre eigentlichen Kernaufgaben fokussieren.
3. Erschließung neuer Umsatzmöglichkeiten
Es existieren derzeit nur wenige Unternehmen, die ein so umfassendes Bild von ihren Kunden haben wie Banken. So kennen sie seit jeher nahezu alle Zahlungsströme, in vielen Fällen liegen ihnen sogar die kompletten Rechnungen vor, die mit dem Smartphone abfotografiert und per App übermittelt wurden. Eine Bank könnte diese Informationen analysieren, einem Kunden dann zum Beispiel alternative Strom- oder Mobilfunkverträge vorschlagen und den Anbieterwechsel koordinieren. Technisch ist das schon heute möglich. Aber bevor solche Geschäftsmodelle Realität werden, ist der Datenschutz zu prüfen und kulturelle Hürden müssen überwunden werden. Denn deutsche Verbraucher haben zwar großes Vertrauen in ihre Bank – so ein Ergebnis der „EY Global Consumer Banking Survey 2016“ –, aber es wird wohl einige Zeit dauern, bis Finanzinstitute auch als Vermittler von branchenfremden Dienstleistungen agieren können.
Autor: Redaktion Zukunft. Kunde.
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